Herzliche Einladung zum Symposium
„Meinungs- und Willensbildung als Aufgabe von Zivilgesellschaft, Medien und Parteien“.
Montag, 6. Oktober 2025, 18 Uhr bis ca. 20 Uhr,
Stuttgart, Haus der Katholischen Kirche, Eugen-Bolz-Saal, Königstraße 7.
Mit
Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR),
Prof. Dr. Christiane Heibach, Medien- und Kulturwissenschaftlerin, Universität Regensburg,
Prof. Dr. Annette Zimmer, Politikwissenschaftlerin, Universität Münster.
Die Carlo-Schmid-Stiftung darf Sie – in Zusammenarbeit mit der Harald Christ Stiftung für Demokratie und Vielfalt – herzlich zur genannten Veranstaltung einladen. Die massiven Veränderungen des öffentlichen Diskurses und der Kommunikationslandschaften und ihre Rückwirkungen auf Parteien, Medien und Zivilgesellschaft bedürfen der grundlegenderen Betrachtung – und der Reaktion.
Carlo Schmid konnte zum Zeitpunkt der Debatten um die Gestaltung des Grundgesetzes berechtigterweise von einer allgemeinen Öffentlichkeit ausgehen, in welcher durch eine glaubwürdige Argumentation und eine seriöse Information politische Parteien für vernunftorientierte Lösungen werben können. Daher auch sein Eintreten für die Verankerung der politischen Willensbildung als Aufgabe der Parteien im Grundgesetz (Art. 21 Abs.1 GG). Doch haben sich seither die Bedingungen stark gewandelt. Von einer einheitlichen Öffentlichkeit kann nicht einmal mehr als Konstrukt ausgegangen werden. Die Idee eines rationalen, deliberativen Diskurses, der Argumenten entscheidendes Gewicht beimessen soll, wie sie Habermas beispielgebend postuliert, ist selbst Gegenstand von wirkungsvollen, populistischen Angriffen. Parallel haben Parteien ihre Rolle auf das „Tagesgeschäft“ des Regierens und der dafür notwendigen Rekrutierung von Personal konzentriert. Parteien verzichten praktisch auf Aufklärung, Überzeugungsarbeit und eine längerfristige Gestaltung der Gesellschaft. Ihre Politik ist im Wesentlichen transaktional und „bedienend“ geworden.
In Institutionen der „Diskurs-Befähigung“ wie Medien, insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind ähnliche Muster erkennbar. Und auch im vielschichtigen Kultursektor scheint die Anpassung an bereits bewährte Muster dominant geworden.
Doch bleibt der Anspruch von Schmid hochaktuell. Wie ist ihm aber unter den aktuellen Bedingungen gerecht zu werden?
Mit diesen Fragen will sich die Carlo-Schmid-Stiftung in einer Gesprächsreihe auseinandersetzen. Der Auftakt wird entscheidend unterstützt von der Harald Christ Stiftung, die die Sicherung der Demokratie und offenen Gesellschaft zu ihrem Thema gemacht hat und sich dabei insbesondere der Qualitätssicherung im Journalismus widmet.
Wir freuen uns, wenn wir mit Ihnen über diese grundlegenden Fragen der demokratischen Gesellschaft am Montag, 6. Oktober in Stuttgart ins Gespräch kommen können.
Um Anmeldung/Absage bis 19.9. wird gebeten. Anmeldungen bitte über folgenden Link:
https://eveeno.com/symposium-carlo-schmid-stiftung_25
Der Vorstandsvorsitzende der Carlo-Schmid-Stiftung Peter Kurz äußert sich zur aktuellen Debatte:
Der wesentliche Mitgestalter unserer Grundgesetzes und langjährige Mannheimer Bundestagsabgeordnete Carlo Schmid wird aktuell zum Kronzeugen gegen das individuelle Recht auf Asyl gemacht; der politische Gehalt seines Beitrags für das Asyl-Grundrecht nahezu ins Gegenteil verkehrt. Das kann nicht unwidersprochen bleiben.
In der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL fordert der bekannte deutsche Historiker Heinrich August Winkler die Abschaffung des individuellen Asylrechts. Dabei begründet er dies mit einer angeblichen Fehlinterpretation der Verfassung. Er bezeichnet dieses Recht gar als „Legende“ – und beruft sich dabei entscheidend auf Carlo Schmid, der dieses individuelle Asylrecht nicht gewollt habe…
Man kann diesen Beitrag wegen seiner politischen Forderung kritisieren. Darum soll es hier aber nicht gehen, sondern um die irreführenden und zum Teil falschen Begründungen für die Forderung nach Abschaffung des Asylrechts als individuellem Rechtsanspruch:
Der SPIEGEL-Artikel befeuert die Debatte tatsächlich mit einer „Legende“, nämlich dass das individuelle Asylrecht des deutschen Grundgesetzes Ursache irregulärer Migration sei. Das ist ersichtlich falsch. Wenn dies der Fall wäre, hätte diese irreguläre Migration bereits 1993 geendet: Seither ist nämlich für alle Einreisenden aus dem europäischen Ausland die Berufung auf das deutsche Grundrecht auf Asyl ausgeschlossen! Dass dennoch Prüfverfahren in Deutschland stattfinden, hat seine Grundlage nicht in Art.16a GG, sondern in europarechtliche Verpflichtungen aus Dublin III und Verpflichtungen aus der EMRK. Diese verlangen eine individuelle Prüfung, zumindest über die Frage der Zuständigkeit.
Heinrich August Winkler sieht im individuellen Asylrecht eine „These“ und behauptet, dass die Auslegung des Asylrechts in Art. 16 GG a.F. durch das Bundesverfassungsgericht fehlerhaft bzw. anfechtbar sei, weil nicht dem Willen des parlamentarischen Rats entsprechend. Das ist schlicht unhaltbar und kein ernsthaftes juristisches Argument. Das Asylrecht als Grundrecht zu verstehen und damit als im Einzelfall zu prüfendes Recht, ergibt sich zwingend aus seiner systematischen Stellung, seinem Wortlaut und der sogenannten teleologischen (auf das Ziel ausgerichteten) Auslegung. Und auch die historische Auslegung trägt in sich kein anderes Ergebnis und könnte das klare Ergebnis auch nicht relativieren.
Winkler beruft sich auf Carlo Schmid, sieht bei ihm einen unbeabsichtigten „Fehler“ und interpretiert dessen angebliches Wollen. Nach Winkler stellte erst die Streichung der Worte »im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts« auf Vorschlag von Carlo Schmid das individuelle Asylrecht her (worin er sich täuscht; überdies entwickelte sich auch das Völkerrecht mit der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 weiter) und schussfolgert dann: „Hätte er vorhergesehen, welche Folgen diese Streichung haben würde, hätte er diesen Vorschlag wohl nicht gemacht.“ Das ist mehr als gewagt. Carlo Schmid war bis 1972 Bundestagsabgeordneter, verstarb Ende 1979 und verfolgte damit natürlich auch die Entwicklung der Auslegung des von ihm maßgeblich geprägten Grundgesetzes. Winkler weist ihm dennoch posthum Einwände über angeblich fundamentale Missverständnisse zu. Das ist befremdlich.
Die Debatten im parlamentarischen Rat geben ein anderes Bild als von Winkler nahegelegt. So äußert sich Carlo Schmid: „Ob man das Asylrecht, wenn man es wirksam machen will, auf bestimmte Gruppen beschränken kann, weiß ich nicht. Die Asylrechtsgewährung ist immer eine Frage der Generosität, und wenn man generös sein will, muss man riskieren, sich gegebenenfalls in der Person geirrt zu haben. Das ist die andere Seite davon, und darin liegt vielleicht auch die Würde eines solchen Aktes. Wenn man eine Einschränkung vornimmt, etwa so: Asylrecht ja, aber soweit der Mann uns politisch nahesteht und sympathisch ist, so nimmt das zu viel weg.“ Hier kann man die Generosität im Sinne einer nicht einklagbaren „Gnade“ verstehen – zu der sich der Staat aber auch durch das Grundgesetz verpflichtet! Deutlich wird an anderer Stelle, dass die individuelle Betrachtung gerade auch als Gefahr der Zurückweisung gesehen wurde und damit die generöse Aufnahme nicht im Sinne einer Begrenzung gemeint war. Ronen Steinke zitiert Carlo Schmid aus dem Protokoll des „Ausschuss für Grundsatz und Grundrechte“: „Dann beginnt das Spiel. Man schickt den Mann zurück, oder man schickt ihn an die andere Grenze, und von dort geht es wieder weiter.“ Auch Hermann von Mangoldt, CDU argumentierte gegen Differenzierungen und Begrenzungen: . „Nimmt man eine solche Beschränkung auf, dann kann die Polizei an der Grenze machen, was sie will. Es ist dann eine Prüfung notwendig, ob die verfassungsmäßigen Voraussetzungen des Asylrechts vorliegen oder nicht. Diese Prüfung liegt in den Händen der Grenzpolizei. Damit wird das Asylrecht vollkommen unwirksam. Wir haben dafür Erfahrungen aus dem letzten Krieg, namentlich von der Schweiz her.“ Hier wird deutlich, dass das Verständnis der Aufnahme als nicht individuell einklagbares Recht von den Befürwortern des Asylrechts nicht im Sinne eines Schutzes vor Überlastung diskutiert worden war. Genau diese Argumente der Überlastung waren dabei durchaus präsent und gegen sie vorgebracht worden. Und allen Beteiligten waren auch die Herausforderungen nur zu bewusst: Millionen waren ermordet worden, weil ihnen eine Flucht nicht gelang; zum Zeitpunkt der Beratungen hatten sieben Millionen Flüchtlinge aus dem Osten neue Aufnahme in den drei Westzonen gefunden. Dennoch entschied man sich für die Formulierung „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Aus diesem Verständnis der Generosität, Verfolgten unterschiedslos Aufnahme zu gewähren, eine aktuelle Forderung nach Ausschluss des Asylrechts und Restriktion abzuleiten, wird den Autoren des Asylgrundrechts– zurückhaltend ausgedrückt – nicht gerecht. Wie sie sich heute positionieren würden, ist rein spekulativ. Wie sie sich damals positionierten, ist dokumentiert: für den Schutz Verfolgter.