Das Medienhaus Correctiv hat in der Aula der Universität Mannheim am Samstag, 6. Juli 2024 den mit 5.000 Euro dotierten Preis der Carlo-Schmid-Stiftung für seinen herausragenden Beitrag zur Stärkung der Demokratie erhalten. Über 170 Gäste wohnten der festlichen Preisverleihung bei.
Der Vorstandsvorsitzende der Carlo-Schmid-Stiftung, Dr. Peter Kurz, würdigte den Laudator, Heribert Prantl, der als ehemaliger Politikchef der Süddeutschen Zeitung profund von der Verantwortung und Gefährdungen der Medien berichten kann. Den 75. Geburtstag des Grundgesetzes wolle man zum Anlass nehmen, den prägenden Einfluss des Namensgebers der Stiftung auf die Entstehung des Grundgesetzes zu würdigen. Schmid habe damals mit dazu beigetragen, mögliche Bedrohungen der Demokratie durch das Grundgesetz zu verhindern und die Pressefreiheit als wichtigen Beitrag zur Verteidigung der Demokratie Verfassungsrang gegeben.
Luise Lange-Letellier vom gemeinnützigen Medienunternehmen Correctiv, bedankte sich für diesen Preis, der als Besonderheit die Verteidigung der Demokratie zum Inhalt habe. Seit der Gründung vor zehn Jahren sei das der Auftrag von „Correctiv“. „Wir werden Desinformationen aufdecken, auf Missstände gucken und es den Rechtsextremen ungemütlich machen. Wir sind hellwach und werden sicher nicht müde.“, versprach Lange-Letellier.
David Schraven, Gründer und Publisher des Unternehmens, sagte in seiner Ansprache, dass aus seiner Sicht, Journalismus und Demokratie immer zusammengehören: „Ohne Journalismus keine Demokratie und ohne Demokratie kein Journalismus.“ Er sehen den Auftrag von Correctiv, helfen zu verstehen, worum es geht, um nicht den falschen Leuten auf den Leim zu gehen. „Wir wollen mit den heutigen Mitteln das Gute aus der Vergangenheit in die Zukunft bringen, denn viele hätten vergessen, warum wir frei leben können“. Jugendliche denken oft, Demokratie falle vom Himmel, so Schraven. Er habe Angst, den größten Schatz der Menschen verspielen. „Eine Macht wird immer größer, von der wir dachten, sie würde es nicht mehr geben. Wir müssen helfen zu verstehen, was da passiert. Müssen verhindern, dass unser Land gespalten, Europa kaputt gemacht und unser Wohlstand zerstört wird. Wir müssen uns dem stellen und können nicht ausweichen“, so sein Appell. „Als Correctiv werden wir weiter versuchen aufzuklären. Keiner darf sagen können, er hätte es nicht gewusst.“
In seiner Laudatio würdigte Heribert Prantl, langjähriger Politikchef der Süddeutschen Zeitung, Correctiv als eine herausragende Initiative zur Qualitätssicherung der Medien: „Guter Journalismus ist ein Journalismus, bei dem die Journalisten wissen, dass sie eine Aufgabe haben – und dass diese Aufgabe mit einem Grundrecht zu tun hat: Artikel 5 Grundgesetz, die Pressefreiheit.“ Prantl verwies darauf, dass nicht für jeden Beruf ein eigenes Grundrecht geschaffen worden sei und dass dieses zur Sachkunde verpflichte, die sich mit „Souveränität, Ausdauer, Neugierde, Sorgfalt und Aufklärungsinteresse“ paare. Und mit Blick auf Correctiv ergänzte er: „Guter Journalismus geht daher über das Aufdecken hinaus. Er ist Moderator und Motor für Veränderungen. Das ist so wichtig wie das Aufdecken. Das ist Pressefreiheit. Das ist praktizierter Gemeinnutz.“
Die Recherchen, die Correctiv am 10. Januar 2024 unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ veröffentliche, hatten „das Land in Aufruhr versetzt“, so Prantl. Correctiv berichtete Anfang des Jahres über ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten in einer Villa unweit des Wannsees, bei dem die Teilnehmer die Möglichkeiten der Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund besprachen. Rechtzeitig zum Grundgesetzjubiläum habe Correctiv mit der Recherche zu den rechtsextremen Vertreibungsplänen den Blick auf den Artikel 1 des Grundgesetzes gelenkt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Heribert Prantl fasste seine Laudatio zusammen mit den Worten: „Der Carlo-Schmid-Preis, hinter dem ein demokratisches Motto steht, das Carlo Schmid geprägt hat:
Wir alle sind die Brandmauer!“
Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch, der auch Kuratoriumsvorsitzender der Carlo-Schmid-Stiftung ist, stellte die Bedeutung der Recherchen von Correctiv zum Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam heraus:
„Correctiv hat die Bedrohung unserer demokratischen Werte mit den Recherchen zum sogenannten Potsdamer Treffen in der breiten Gesellschaft bewusst gemacht. Dadurch sind Menschen in diesem Land aufgewacht und aufgeschreckt. Sie unterstreicht die Bedeutung journalistischer Arbeit, die sich im Dienste der Gesellschaft sieht“.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von „IG Pop“ und dem Thekenchor aus Mannheim, die modern arrangierte Arbeiterlieder zum Besten gaben.
Der Carlo-Schmid-Preis wird seit 1989 an Personen oder Organisationen verliehen, die einen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung des demokratischen Rechtsstaats und der liberalen politischen Kultur im Sinne der liberal-humanistischen Tradition Carlo Schmids, einem der Väter des Grundgesetzes, geleistet haben.
Die Broschüre zur Preisverleihung kann für fünf Euro unter carlo-schmid-stiftung@spd.de bestellt werden.
Carlo-Schmid-Preis 2018 an Joachim Gauck
Joachim Gauck hat heute im Mannheimer Schloss den diesjährigen Carlo-Schmid-Preis erhalten. Der Vorsitzende der gleichnamigen Stiftung, Siegmar Mosdorf, würdigte den ehemaligen Bundespräsidenten, der mit seiner Biografie und seiner Leistung als oberster Repräsentant Deutschlands für einen dialogorientierten Diskurs mit klaren Standpunkten, aber auch für Offenheit gegenüber anderen Meinungen stehe.
„Joachim Gauck versteht Politik als geistige Aufgabe. Er ist ein Brückenbauer zwischen Ost und West – in Deutschland und Europa“, so der Parlamentarische Staatssekretär a.D. Mosdorf in der Feierstunde vor über 250 Gästen. „Freiheit, Mitmenschlichkeit und Vergegenwärtigung der Geschichte sind Themen Ihres Lebens, die auch Ihre Prägung der öffentlichen Ämter bestimmt haben“, bemerkte Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz gegenüber Gauck in seinem Grußwort. SPD-Landeschefin Leni Breymaier war bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin gebunden und konnte daher in Mannheim nicht dabei sein.
Nida-Rümelin: „Ein Glücksfall als Bundespräsident“
In seiner Laudatio auf den Preisträger betonte Julian Nida-Rümelin, Gauck habe in unterschiedlichen Rollen dazu beigetragen, dass Deutschland gelernt habe, mit seiner Vergangenheit verantwortungsvoll umzugehen. „Er ist ein durch und durch politischer Geist, der die Demokratie stärken will. Er hat es geschafft, einen existenziellen Ton in die politischen Debatten zurückzubringen und mit einem Schuss Pragmatismus zu verbinden“, so der einstige Staatsminister. „Es ist ein Glücksfall, dass er zum Bundespräsidenten gewählt wurde.“
Gauck: „Wir sind das Land des Demokratiewunders“
Gauck selbst nahm den Preis mit Freude und Dankbarkeit entgegen. In seinen Gedanken über den Zustand der Demokratie betonte der ehemalige Bundespräsident, dass Freiheit und Liberalität von vielen Seiten infrage gestellt würden – weltweit, in Europa und in Deutschland. „Es gilt, nicht den Populisten hinterher zu laufen, sondern eine Beheimatungsstrategie zu entwickeln, die zur politischen Moderne passt. Dazu braucht es Mut zu Toleranz, Offenheit und Deutlichkeit“, so Gauck. „Wir sind nicht nur das Land des Wirtschaftswunders, sondern auch des Demokratiewunders. Und wenn wir das nicht glauben können, dann: Gute Nacht, Marie!“
Die Carlo-Schmid-Stiftung verleiht den Preis regelmäßig, um an das Lebenswerk des Sozialdemokraten zu erinnern. Carlo Schmid war einer der bedeutendsten Politiker der Nachkriegszeit. Er ist im südfranzösischen Perpignan geboren und in Tübingen aufgewachsen. Er war Staats- und Völkerrechtler, zunächst an der Universität Tübingen und dann in Frankfurt. Seine politische Laufbahn begann er als Justizminister und Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern. Er hat maßgeblich an der Entwicklung und Formulierung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat auf Herrenchiemsee mitgewirkt und ist damit der Vater des Grundgesetzes. Später war er Bundesminister und Vize-Präsident des Deutschen Bundestags. Sein Fachgebiet war immer die Außenpolitik. Besonders hat sich Carlo Schmid für die deutsch-französischen Beziehungen eingesetzt.
Den Preis haben in den letzten 30 Jahren unter anderem Helmut Schmidt, Jaques Delors, Hans-Dietrich Genscher, Jean-Marc Ayrault, der Fernsehsender ARTE und das Deutsch-Französische Jugendwerk erhalten.