Carlo-Schmid-Preis 2018 an Joachim Gauck
Joachim Gauck hat heute im Mannheimer Schloss den diesjährigen Carlo-Schmid-Preis erhalten. Der Vorsitzende der gleichnamigen Stiftung, Siegmar Mosdorf, würdigte den ehemaligen Bundespräsidenten, der mit seiner Biografie und seiner Leistung als oberster Repräsentant Deutschlands für einen dialogorientierten Diskurs mit klaren Standpunkten, aber auch für Offenheit gegenüber anderen Meinungen stehe.
„Joachim Gauck versteht Politik als geistige Aufgabe. Er ist ein Brückenbauer zwischen Ost und West – in Deutschland und Europa“, so der Parlamentarische Staatssekretär a.D. Mosdorf in der Feierstunde vor über 250 Gästen. „Freiheit, Mitmenschlichkeit und Vergegenwärtigung der Geschichte sind Themen Ihres Lebens, die auch Ihre Prägung der öffentlichen Ämter bestimmt haben“, bemerkte Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz gegenüber Gauck in seinem Grußwort. SPD-Landeschefin Leni Breymaier war bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin gebunden und konnte daher in Mannheim nicht dabei sein.
Nida-Rümelin: „Ein Glücksfall als Bundespräsident“
In seiner Laudatio auf den Preisträger betonte Julian Nida-Rümelin, Gauck habe in unterschiedlichen Rollen dazu beigetragen, dass Deutschland gelernt habe, mit seiner Vergangenheit verantwortungsvoll umzugehen. „Er ist ein durch und durch politischer Geist, der die Demokratie stärken will. Er hat es geschafft, einen existenziellen Ton in die politischen Debatten zurückzubringen und mit einem Schuss Pragmatismus zu verbinden“, so der einstige Staatsminister. „Es ist ein Glücksfall, dass er zum Bundespräsidenten gewählt wurde.“
Gauck: „Wir sind das Land des Demokratiewunders“
Gauck selbst nahm den Preis mit Freude und Dankbarkeit entgegen. In seinen Gedanken über den Zustand der Demokratie betonte der ehemalige Bundespräsident, dass Freiheit und Liberalität von vielen Seiten infrage gestellt würden – weltweit, in Europa und in Deutschland. „Es gilt, nicht den Populisten hinterher zu laufen, sondern eine Beheimatungsstrategie zu entwickeln, die zur politischen Moderne passt. Dazu braucht es Mut zu Toleranz, Offenheit und Deutlichkeit“, so Gauck. „Wir sind nicht nur das Land des Wirtschaftswunders, sondern auch des Demokratiewunders. Und wenn wir das nicht glauben können, dann: Gute Nacht, Marie!“
Die Carlo-Schmid-Stiftung verleiht den Preis regelmäßig, um an das Lebenswerk des Sozialdemokraten zu erinnern. Carlo Schmid war einer der bedeutendsten Politiker der Nachkriegszeit. Er ist im südfranzösischen Perpignan geboren und in Tübingen aufgewachsen. Er war Staats- und Völkerrechtler, zunächst an der Universität Tübingen und dann in Frankfurt. Seine politische Laufbahn begann er als Justizminister und Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern. Er hat maßgeblich an der Entwicklung und Formulierung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat auf Herrenchiemsee mitgewirkt und ist damit der Vater des Grundgesetzes. Später war er Bundesminister und Vize-Präsident des Deutschen Bundestags. Sein Fachgebiet war immer die Außenpolitik. Besonders hat sich Carlo Schmid für die deutsch-französischen Beziehungen eingesetzt.
Den Preis haben in den letzten 30 Jahren unter anderem Helmut Schmidt, Jaques Delors, Hans-Dietrich Genscher, Jean-Marc Ayrault, der Fernsehsender ARTE und das Deutsch-Französische Jugendwerk erhalten.
2014 hat sich die Stiftung für den langjährigen Oberbürgermeister der Stadt Nantes und französischen Premierminister a.D. Jean-Marc Ayrault entschieden, um damit „seine besonderen Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft“ zu würdigen.
In der Begründung der Stiftung heißt es: „Wir wollen mit Jean-Marc Ayrault einen Franzosen auszeichnen, der durch sein Studium in Deutschland, seine Städtepartnerschaft zwischen Nantes und Saarbrücken, eine aktive Rolle in der französisch-deutschen Parlamentariergruppe der Assemblée Nationale und durch seine Akzente zu einer gemeinsamen deutsch-französischen Agenda als Premierminister einen erheblichen Beitrag zur Qualität der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich geleistet hat.“
Carlo-Schmid Preisverleihung an Jean-Marc Ayrault. v.li.: Dr. Frank-Walter Steinmeier, Frau Ayrault, Jean-Marc Ayrault, Siegmar Mosdorf, Dr. Nils Schmid
Vorstand und Kuratorium mit dem Preistraeger und Laudator. v.li.: Helmut Zilligen, Siegmar Mosdorf, Dr. Peter Kurz, Jean-Marc Ayrault, Frank-Walter Steinmeier, Anni Betz
weitere Bilder von der Preisverleihung (Ambassade d’Allemagne / F. Brunet)
Die Broschüre zur Verleihung als Download (1.2MB)
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Werner Spies
Der Carlo-Schmid-Preis ging in diesem Jahr an den Kunsthistoriker Werner Spies. Im Mannheimer Schloss würdigten der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid und der Stiftungsvorsitzende Siegmar Mosdorf seine besonderen Verdienste um das deutsch-französische Kulturverhältnis. Laudator auf den Preisträger war der Oscar-prämierte Drehbuchautor und Filmemacher Volker Schlöndorff. Auch Oberbürgermeister Peter Kurz sprach zu den rund 200 Festgästen.
„Wir wollen mit Werner Spies jemanden auszeichnen, der im Sinne von Carlo Schmid als Intellektueller in besonderer Weise einen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung geleistet hat. Wir wollen damit einen besonderen Aspekt der Biografie Carlo Schmids betonen“, erklärte Siegmar Mosdorf. „Er ist der einzige Nachkriegspolitiker in Deutschland, der den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main erhalten hat. Seine besonderen Leistungen im gegenseitigen Verstehen der Alltags- und der Hochkultur zwischen Deutschland und Frankreich soll auch durch die diesjährige Preisverleihung an Werner Spies hervorgehoben werden.“
Die Broschüre zur Verleihung als Download (1MB)
Carlo-Schmid-Stiftung würdigt Verdienste des ehemaligen Bundesaußenministers für Vereinigung Europas
Der mit 5000 Euro dotierte Carlo-Schmid-Preis ging in diesem Jahr an Hans-Dietrich Genscher. Mit dieser Auszeichnung ehrte die Carlo-Schmid-Stiftung den Einsatz des langjährigen Bundesaußenministers für die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas.
Alle zwei Jahre ehrt die in Baden-Württemberg ansässige Stiftung Personen und Organisationen, die in der liberal-humanistischen Tradition Carlo Schmids (1896 bis 1979) stehen. Der Preis erinnert dabei an den in Tübingen aufgewachsenen SPD-Politiker und renommierten Staatsrechtler. Carlo Schmid war Präsident von Südwürttemberg-Hohenzollern, später Bundesminister sowie Vizepräsident des Deutschen Bundestages sowie einer der Väter des Grundgesetzes. „Die Entscheidung zur Preisverleihung an Hans-Dietrich Genscher fiel einstimmig“, so der Stiftungsvorsitzende Siegmar Mosdorf und ehemaliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
In seiner Laudatio vor rund 200 Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wies der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann auf eine hervorstechende Gemeinsamkeit zwischen dem Preisträger und dem Namensgeber hin. „Beide waren Wiedervereinigungspolitiker von Anfang an. Gemeinsam war ihnen eine Vision des geeinten Deutschlands im europäischen Staatenbund, gemeinsam auch verfolgten sie eine Politik nicht des deutschen Sonderwegs, sondern nüchterner Interessenwahrung gegenüber den Siegermächten.“ Zu Genscher Verdiensten gehöre vor allem sein erfolgreicher Einsatz für die Europäische Union, den Maastricht-Vertrag, die NATO oder den Warschauer Vertrag.
In seiner Dankesrede forderte der ehemalige Außenminister Europa und die Atommächte auf, sich stärker in der nuklearen Abrüstung zu engagieren. „Wir müssen die Abrüstung wieder ganz oben auf die internationale Tagesordnung setzen“, sagte Genscher unter starkem Beifall der Festgäste. Von der Abrüstung als integralem Bestandteil der NATO-Sicherheitspolitik sei heute kaum mehr etwas spürbar.
Der 81jährige betonte ausdrücklich die Bedeutung eines vereinten Europas und rief zu gegenseitiger Toleranz auf: „Vorkrieg beginnt mit den Vorurteilen gegenüber anderen Meinungen, Religionen, Kulturen, in der Überheblichkeit und dem Vormachtsanspruch.“ Genau dies sei auch die Botschaft Carlo Schmids an die Deutschen gewesen „und das ist es, was mich so dankbar macht, einen Preis entgegennehmen zu dürfen, der den Namen dieses großen europäischen Deutschen trägt“. Hans-Dietrich-Genscher war von 1969 bis 1974 Bundesinnenminister und von 1974 bis 1992 fast ununterbrochen Vizekanzler und Außenminister.
Die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt übereichte dem FDP-Politiker als Vorsitzende des Stiftungskuratoriums eine Bronzestatur des Berliner Künstlers Hans Scheib, die in Anlehnung an Hölderlins „Hyperion“ einen Schritt nach vorne macht und damit „den Fortschritt symbolisiert“. Der Preis wurde zum zehnten Mal vergeben. Zu den Preisträgern gehören unter anderem auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt sowie der frühere Präsident der EU-Kommission Jacques Delors.
Weitere Fotos von der Preisverleihung finden Sie hier.
Festliche Verleihung des Carlo-Schmid-Preises im Juni im Mannheimer Schloss.
(v.l.n.r., Siegmar Mosdorf, Vorsitzender der Carlo-Schmid-Stiftung, Preisträger Hans-Dietrich Genscher, Außenminister a.D., Ute Vogt, Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung und SPD-Landesvorsitzende, Laudator Michael Naumann, Staatsminister a.D.) Bilder: Tröster